Montagsgebet - ein Anlass mit Geschichte
Das Gebet ist eine Form der Meinungsäusserung in Zeiten, wo Menschen sich machtlos fühlen. Der Mauerfall in der DDR wurde entscheidend vorbereitet durch die «Leipziger Montagsgebete». Jeden Montag laden auch unsere Lindener Glocken um 20:00 Uhr ein zum Gebet.
«Durchschnittlich 1.100 Personen besuchten das wöchentliche Montagsgebet in der Nikolaikirche in Leipzig. Weitere ca. 1.000 Personen hatten sich wegen Überfüllung der Kirche auf dem Kirchenvorplatz und in den Zugangsstraßen versammelt. Pfarrer Wonneberger tätigte gezielt Aussagen wie ‚Wer den Knüppel zieht, muss auch den Helm tragen‘ sowie ‚Wenn die Verfassung nicht dem Bürger nützt, muss die Verfassung geändert werden‘.»
Diese Beschreibung stammt aus einem Bericht des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, also vom Geheimdienst. Von Beginn weg wurden die «Montagsgebete» überwacht. Obwohl der Widerstand gewaltlos blieb, kam es zu Verhaftungen. 1989, kurz vor dem Fall, wurden die Montagsgebete sogar verboten.
Hilflos – aber nicht sprachlos
Pfarrer Christoph Wonneberger war eine zentrale Figur in der Organisation der «Friedensgebete», jeweils am Montag um 18:00 Uhr in der Leipziger Nikolaikirche. Kurz vor dem Mauerfall November erreichten die Montagsgebete eine ungeahnte Grösse. Gleichzeitig erlitt Pfr. Wonneberger einen Hirninfarkt und brauchte Jahre, um sich wieder zu erholen. Es kommt vielleicht nicht von ungefähr, dass er sich – angeblich – auch gegen überzogene Corona-Massnahmen geäussert hat.
Auch in unserer speziellen Zeit brauchen wir das Gebet. Wir sind hilflos. Nicht nur gegenüber einem Virus, das sich garantiert nicht «besiegen» lässt. Verstörender ist die Hilflosigkeit gegenüber Massnahmen, die ohne demokratischen Boden erlassen werden und nicht für alle nachvollziehbar sind. Leider fühlen sich auch bei uns «IM» – «informelle Mitarbeiter» – berufen, ihre Mitmenschen anzuschwärzen. «IM» nannte man in der DDR Privatpersonen, die dem Staat das Fehlverhalten ihrer Nachbarn anzeigten.
Beten statt Misstrauen
Da hilft gemeinsames Beten, oder auch nur ein kurzes Durchatmen zum Glockengeläut. Es verhindert, dass sich eine Kultur von Misstrauen und Kontrolle bei uns festsetzen kann. Und mit jedem Gebet sagen wir: Gott hat das letzte Wort. Niemals, niemals sind wir hilflos ausgeliefert.
Bildquelle: wikimedia