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28.12.2022 | Gedanken
 

«Gott, der mich sieht»


Der Jahresvers für 2023 findet viel Resonanz in unserer Zeit: «Du bist der Gott, der mich sieht.» Sehen und vor allem gesehen werden – das ist das Ziel unserer «sozialen» Medien.

Der Schrei nach Aufmerksamkeit ist das, was die diversesten Profile gemeinsam haben. Und doch fühlen wir uns weiterhin ungesehen, übersehen. Glücklich, wer Gott kennt, der uns sieht – in einer Weise, wie kein Mensch sehen kann.

«Gott, der mich sieht»

Es sind ungehobelte Frauen und Männer, die uns das erste Buch der Bibel vorstellt. Der Mensch zeigt sich hier genau so, wie er ist: Adam und Eva, Noah, Abraham – und Hagar.
Hagar? Noch nie gehört? Eine unsichtbare Frau, völlig bedeutungslos.

Aber Hagar ist hoch aktuell. Sie ist eine Leihmutter! Eine Leihmutter ist kurz gesagt eine Frau, die – als ausgelagerte Gebärmutter – einem Paar seinen Kinderwunsch erfüllt.
Nur reiche Leute leisten sich eine Leihmutter. Abraham zum Beispiel, weil sein verheissenes Wunschkind nicht rasch genug kommt. So nimmt er sich die Leibmagd seiner Frau Sara, eben Hagar, zur Frau. Wenn es den heiss ersehnten Sohn geben sollte, den Stammhalter, hat Leihmutter Hagar ihre Schuldigkeit getan.

Und Hagar wird auch sofort schwanger. Das macht die kinderlose Sara sauer; von ihr aus könnte Hagar jetzt für immer verschwinden. Und Abraham, der nicht streiten will, rührt keinen Finger.

Sara jagt die schwangere Hagar tatsächlich in die Wüste. Dort begegnet sie Gott, an einer Wasserquelle. Und von ihm hört sie Worte, wie ein Engel sie zwei Jahrtausende später Maria zuspricht: «Du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären, und du sollst ihn Ismael nennen!»

Gott sieht hin. Er sieht auch die Leihmutter, die später einmal nicht im Geburtsschein, im Familienbüchlein und im Stammbaum stehen darf. Die nützliche und doch ungewünschte Frau.

Unter diesem Blick schöpft Hagar Kraft. Sie wollte verschwinden. Aber jetzt steht sie auf. Sie darf sein! Und sie gibt Gott einen Namen, ihren persönlichen Namen:

«Du bist ‘El Roi’, Gott, der mich sieht.» (1. Mose 16,13)

Auch unter uns sind Menschen, Frauen und Männer, sichtbar unsichtbar. Da und doch nicht da. Vorhanden, aber nicht wahrgenommen. Gott sieht sie. Gott sieht Sie!

Machen auch wir unsere Augen auf!

Bildnachweis: Stefanie Bahlinger, verlagambirnbach.de

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